Die Alchemie der Fragmente

oder die Ambiguität des Lebens

Betrachtung über die Ausstellung in der Welfenakademie

 

Aus der Selbstdarstellung der Welfenakademie

„Die Welfenakademie als private Berufsakademie bietet ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre… Sie kombiniert die betriebliche Praxis in einem Kooperationsunternehmen mit der Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte… Von wesentlicher Bedeutung für die berufliche Qualifizierung betrachtet die Akademie auch der Erwerb von Methoden- und Sozialkompetenzen. Kommunikative Fähigkeiten, die Fähigkeit, in komplexen Zusammenhängen zu denken, Selbstsicherheit bei der Entscheidungsfindung etc. sind für zukünftige Führungskräfte mindestens genauso wichtig wie Fachkenntnisse.“ (Homepage)

 

Die Welfenakademie bietet den Studenten und der Öffentlichkeit zwei Mal im Jahr eine Kunstausstellung im Eingangsbereich ihres modernen Gebäudes auf zwei Ebenen.

 

Die Collagen

 

Es werden 120 Collagen, davon 70 kleine Werke (30x40) eng auf einer einzigen roten Wand (4,60 x 2,80) unter dem Titel „Gefühlsfetzen“ präsentiert. Die Collagen sind in 6 Themen dargestellt: Musik, Männer, Identität, Meditation unter dem Kreuz, Puppen und Schmerzen.

 

Reflexion

 

Der Untertitel „die Ambiguität des Lebens“ weist auf eine wichtige Spur ein. Das Leben ist komplexer, weniger logisch bzw. statisch als ein Lehrbereich im Betriebswirtschaft. Die Technik der Collage als Fragmentierung und Neugestaltung ist in sich eine Metapher für die Infragestellung des Erreichten, des Publizierten, des Etablierten und für die Schaffung einer neuen komplexen Realität. Die Fragmente werden übereinander, ineinander und nebeneinander geklebt. Aus dieser Vielschichtigkeit entsteht eine materielle und sinnliche Ambiguität, die nicht enträtselt wird. Die Betrachter*innen werden mit dieser Ambiguität und mit der Komplexität eines neuen einheitlichen Bildes konfrontiert.

Der Bezug der Akademie zum Erwerb von „sozialen Kompetenzen und von der Fähigkeit, in komplexen Zusammenhängen“ zu denken, ist leicht herzustellen.

 

Das Erlernen des Umganges mit der ausgestellten Komplexität und Ambiguität stellt eine Alternative zur Macht der Algorithmen. Durch das ständige Aufsuchen gleicher Inhalte führen sie uns schnell zu Seiten, Kanälen, Meinungen oder Personen, die uns ähneln. Die Vielfalt von Meinungen fällt weg. Diese Ausstellung bietet die Gelegenheit, mit Empfindungen, Meinungen und Vorstellungen umzugehen, die uns vielleicht irritieren. Pluralität definiert unsere Moderne. Wer lernt, mit Vielfalt und Ambiguität umgehen, erwerbt die Fähigkeit, „in komplexen Zusammenhängen zu denken“ und selbstsicher Entscheidungen auch in der Arbeitswelt zu treffen.

 

Dass wir unübersehbar mit dem Werk von einem schwulen Mann zu tun hat, führt über eine innerliche Reise außerhalb der Heteronormalität. Als Unterzeichner der Charta der Vielfalt lässt die Welfenakademie bewusst diese Bilder an ihren Wänden hängen und zeugt von ihrem Willen, die Vielfalt in allen ihrer Dimensionen zu pflegen, Vielfalt der Geschlechter, der Nationalitäten, der ethnischen Herkunft, der Religionen und ebenfalls die Dimension der sexuellen Orientierung und Identität. Die Anerkennung und die Förderung dieser vielfältigen Potentiale schafft ebenfalls wirtschaftliche Vorteilen für Firmen und Organisationen.

 

Möge diese Ausstellung ein Forum für Austausch und Kontroversen werden, eine Erweiterung der Akademie in ein offenes Labor des gesellschaftlichen Diskurses.

 

Jean Luc 2018


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